Ständig werden wir auf Fix und Boxi angesprochen, jeder Vorbeifahrende/-gehende schaut unser Gespann neugierig, interessiert, ungläubig oder amüsiert an. Beim Ankommen oder Wegfahren fragen uns Nachbarcamper(männer), ob unser Nissan ein Diesel sei??? Sie hören es und sind ganz neidisch, weil es das in Nordamerika für Pickup Trucks nicht gibt, nur Benziner werden verkauft. In St. Andrews, kurz vor der Grenze nach USA, kam eine Nachbarin per Fahrrad von ihrem Weg zum Sanitärhaus extra bei uns vorbei, um uns mitzuteilen, wie schön sie unser Wohnmobil findet. Es entstand ein längeres Gespräch und wir fragten sie, ob sie Boxi auch von innen sehen wolle. Sie fiel fast in Extase und bestätigte unsere Einschätzung, dass die amerikanischen Wohnmobile, Wohnwagen etc. durchweg fürchterlich altmodisch sind. Wohlgemerkt nur von innen, von außen sind sie stylisch, modern, teilweise wild gemustert, aber viel abwechslungsreicher und individueller als in Europa. Umso unverständlicher, dass sie von innen ALLE gleichermaßen braun/beige gemustert und möbliert sind, im Stil der 1960er-Jahre. “Gelsenkirchener Barock”, Luise sagt “Frühes Karstadt” und in einem Blog lasen wir kürzlich die auch sehr zutreffende Bezeichnung “Mooreiche brutal”. Auf dem letzten Campground fuhr ein ca. 10-jähriger Junge auf seinem Mountainbike hinter uns her und rief uns zu, dass er noch nie “such a nice car” gesehen habe. Wir freuen uns natürlich! Im weiteren Verlauf der Gespräche geht es dann wie immer um woher und wohin und wenn wir sagen, dass demnächst die White Mountains im Bundesstaat New Hampshire auf unserem Plan stehen, verklären sich die Gesichter, unsere Gegenüber bekommen leuchtende Augen und bestärken uns in unserer Absicht. Es sei “amazing” dort.
Also verließen wir Maine und fuhren über die Bundesgrenze in den Staat, der sich absolute Freiheit auf seine Fahnen bzw. auf seine Autokennzeichen schreibt. “Live free or die” steht wirklich auf jedem Kennzeichen, auf jedem Aufkleber, auf T-Shirts oder wo es sonst Platz hat. Die Freiheitsliebe geht soweit, dass sogar die Anschnallpflicht abgeschafft wurde! Natürlich fährt auch kein Motorradfahrer mit Lederkombi, geschweige denn mit Helm, aber das ist nicht nur in New Hampshire so!!! Kurze Hose, T-Shirt, Achselshirt, ein lässiges Tuch um den Kopf gebunden, die Sozia hinten drauf ebenso, das ist hier das übliche Straßenbild, auch auf den Schnellstraßen. Da kann aus live free dann ganz schnell die werden, aber das scheint man in Kauf zu nehmen.
Wir checkten auf dem KOA-Kampground “Twin Mountains” ein. Ein KOA-Mitarbeiter zeigte uns zu Fuß die wenigen Plätze, die noch frei waren. Nein, das Wifi würde bis dort nicht reichen. Dann kam die Rezeptionistin hinter uns hergelaufen und offerierte uns einen weiteren Platz, zwar direkt neben dem Swimmingpool und in Hörweite des Spielplatzes (beides sollte uns die nächsten Tage noch mehr oder weniger nerven), aber eben auch in Reichweite des WLANs.
Der Mount Washington ist mit 1917m die höchste Erhebung im Nordosten der USA und es werden ihm extreme Wetterbedingungen nachgesagt. Nach oben kommt man entweder mit einer Zahnradbahn (gebaut 1866-69!!!) oder mit dem eigenen Auto. Am Abend vor der geplanten Tour stellte Uschi beim genaueren Lesen dann allerdings fest, dass keinerlei Campingfahrzeuge erlaubt sind! Und sogar, wenn wir Boxi abgesetzt hätten, wäre der Nissan noch zu breit (mit den Aufsteckspiegeln) gewesen. Das war uns zu viel Aufwand und die Bahnfahrt war uns eindeutig zu teuer. Außerdem befürchteten wir, von der Aussicht enttäuscht zu sein, denn rundherum gibt es nur bewaldete Berghänge. Wälder, wohin das Auge reicht! Also kein Vergleich zum Gipfel des Mount St. Helens zum Beispiel, den wir 2013 mit unserem Mietmobil “erfahren” haben. Wir verzichteten auf den Mount Washington und fuhren dafür einen ausgedehnten Rundkurs (die gelbe Markierung) durch die “amazing” White Mountains.
Ja, es war hübsch und es gab sogar eine Passstraße auf dem “Kancamagus Highway”, die bis auf 870m anstieg. Also wie auf der Schwäbischen Ostalb oder sonst irgendwo im deutschen Mittelgebirge. Kein Vergleich zu den Alpen! Für hiesige Verhältnisse verständlicherweise amazing, für uns etwas enttäuschend, obwohl die Mischwälder wirklich wunderschön waren. Ich glaube langsam, wir sind zu verwöhnt, zu anspruchsvoll oder haben einfach andere Maßstäbe. Vielleicht müssen wir aufhören, zu vergleichen. Wir fuhren sogar noch eine Querverbindung, die im Winter gesperrt wird und hofften auf einen Elch oder einen Bären, leider wieder vergeblich!
Imposant liegt das legendäre “Mount Washington Resort” unterhalb des Berges, zu Beginn des 20. Jahrhunderts eines der ersten privat geführten Riesenhotels mit 352 Zimmern. Es setzte offenbar Maßstäbe mit seinen leuchtend roten Dächern, diese finden sich auf sehr vielen weiteren “namhaften” Häusern. Exklusiv noch heute, elegant und teuer, aber auch nicht unbelastet, wurde doch bis 1944 die Aufnahme jüdischer Gäste verweigert.
Sehr viel hübscher fanden wir das “Indian Head Resort” mit kleinen Cottages wie aus einem Märchen. Wenn ihr den ersten Link anklickt, bekommt ihr einen weiteren Eindruck der Landschaft in dieser Gegend, beim zweiten Link könnt ihr die Inneneinrichtung anschauen und bekommt einen Eindruck von dem hier üblichen Stil, sei es Grandhotel, Cottages oder Wohnmobile.
Ein weiteres Highlight für uns gab es dann unverhofft neben der Straße. Nein, immer noch kein Elch oder Bär, sondern zwei knuffige Autos, die uns zum Anhalten veranlassten. Eine kleine private Sammlung alter Autos und mehr! Was wollten wir mehr? Nichts!
written by Ingrid
photos taken with iPhone
P.S.: Wie immer könnt ihr die Fotos durch anklicken auf Originalgröße bringen und den Fototext lesen, wenn ihr den Mauszeiger auf das Foto führt.