Nun mussten wir uns wirklich vom Atlantik verabschieden, zumindest für dieses Jahr! Wieder hieß es, Frankreich einmal durchqueren, diesmal allerdings eher wörtlich und nicht diagonal wie auf der Hinfahrt. Wir nahmen Kurs auf Freiburg, aber laaaangsam.
Unser nächstes Ziel diente nur als Zwischenübernachtung, entpuppte sich aber als liebevoll angelegter kostenloser Stellplatz in dem kleinen Städtchen Nieuil-l‘Espoir. Die Stadtväter fahren entweder selbst Wohnmobil oder haben erkannt, dass jeder, der hier pausiert, auch Geld da lässt. Für letzteres spricht, dass am Stellplatz ein Plakat eines Restaurants mit den angebotenen Menüs hing.
Direkt vom Stellplatz aus hat man Zugang zu einem kleinen See. Ein Spazierweg führt um ihn herum und zu einem Freibad, das jetzt natürlich schon geschlossen war. Separat vom Stellplatz gibt es noch einen großen PKW-Parkplatz, der sicher mitbenutzt wird, falls es (in der Hauptsaison) mal voll werden sollte. Auch diese Nacht stand dort ein im Dunkeln angekommenes Wohnmobil, entweder weil der Fahrer die Einfahrt zum Stellplatz nicht rechtzeitig gesehen hatte, nicht stören wollte oder einfach nur ohne Nachbarn sein wollte.
NIEUIL-L’ESPOIR; Aire de service Camping-car, Stellplatz für 10 Mobile auf Schotter; kostenlos; Strom (nur an der VE-Station) per Automat über Jetons (im Einzelhandel verfügbar) €2/h; kein Schatten; Stadtkern in unmittelbarer Nähe; VE vorhanden (Wasser €2/100l)
Am nächsten Mittag fuhren wir weiter bis Châteauroux und dort auf den ACSI-Campingplatz „Le Rochat Belle Isle“. Hier wurden wir von einem fürchterlich nach Alkohol riechenden Mann langsam und akzentuiert auf französisch gefragt, ob wir es vorziehen würden, dass er – langsam – französisch mit uns spricht oder lieber englisch. ENGLISCH!?!? Ob englisch schnell oder auch langsam, sagte er nicht. Ich entschied mich für langsames französisch, verstand aber schon den ersten Satz sowas von gar nicht, dass wir uns dann doch auf englisch einigten. Wir erfuhren, dass wir uns einen beliebigen Platz aussuchen könnten, dass wir die Platznummer NICHT mitteilen müssten, dass das große Sanitärhaus für den Winter schon geschlossen sei und von wo und wann der kostenfreie Bus in die Stadt abfährt. Und dass wir, falls wir das WLAN nutzen wollten, uns nicht zu weit von der Rezeption entfernt hinstellen sollten. Das war die erste Herausforderung! Rund um die Rezeption hatten die Plätze Rollstuhlfahrer-Markierungen. Das haben wir auf einem Campingplatz auch noch nicht gesehen! Wir fuhren eine zweite Runde und nahmen den ersten frei verfügbaren Platz. Gegenüber stand ein Wohnmobil auf einem mit Rollstuhl markierten Platz, allerdings liefen beide Insassen fröhlich auf zwei Beinen in der Gegend herum. Bei näherem Hinsehen hatten sie an ihrer Windschutzscheibe einen Behindertenausweis kleben! Wie das geht, haben wir nicht erfahren. Vielleicht war er vom Opa ausgeliehen? WLAN funktionierte natürlich nicht, allerdings auch nicht direkt vor der Rezeption auf dem Kinderspielplatz.
Die zweite Herausforderung war das kleine Sanitärhaus. Eine „Baracke“ mit Toiletten und drei Duschen in einem Raum, für Männlein und Weiblein gemeinsam. Mein erster Versuch scheiterte daran, dass alle Duschen belegt waren und die Luftfeuchtigkeit unangenehm hoch war. Einen zweiten Versuch unternahm ich nicht mehr, nachdem Uschi vom Duschen zurückkam und erzählte, wie es ist, wenn nicht nur die Duschen, sondern auch die Toiletten intensiv genutzt werden.
Die dritte Herausforderung meisterten wir ebenfalls nicht. Es gab keine Bushaltestelle in der Straße vom Campingplatz. Auch keine am Ende in der nächsten Querstraße, zumindest nicht für unsere Linie. Wir liefen weiter. Auf der Hauptstraße überholte uns „unser“ Bus. Aber da waren wir schon fast im Stadtzentrum. Das erwies sich als nicht wirklich bemerkenswert, sodass wir bald den Rückweg antraten, zu Fuß. Wir hätten zwar eine Haltestelle gefunden, wo wir hätten einsteigen können, wussten aber immer noch nicht, wo wir aussteigen müssten. Die Entscheidung war gut, denn so kamen wir (wir hatten einen Stadtplan) durch einen Park, der sich als der botanische Garten entpuppte, den der Rezeptionist uns empfohlen hatte. Das war dann auch eindeutig das Highlight von Châteauroux!
CHÂTEAUROUX; Campingplatz „Le Rochat Belle Isle“ mit 152 Parzellen auf Gras, parkartig angelegt, überwiegend schattig; freies WLAN rund um die Rezeption; Kinderspielplatz; Freizeitsee, Restaurant, Gratis-Schwimmbad in der Nähe; Stadtzentrum in fußläufiger Entfernung oder per Gratis-Bus erreichbar; mittlere Preiskategorie, ACSI-Vergünstigung (€15+€0,35/Person) vom 1. Sept. bis 30. Nov. und vom 1. Febr. bis 30. Juni; Mietunterkünfte
Die nächste Etappe führte uns bis Marceney. Der Campingplatz hatte den vielversprechenden Namen „Les Grebes du Lac de Marceney“. Ein See! Sicher nicht so ganz klein, wenn der Campingplatz nach ihm benannt ist. Der Platz war absolut in der Pampa, die Ortschaften auf dem Weg dorthin winzig. Aber egal, wir wollten ja eigentlich nur eine Nacht bleiben, außer See und Campingplatz wären besonders schön. Die Rezeption war von einem großen Aufenthaltsraum, eher eine Halle oder ehemalige Scheune, abgetrennt. Geöffnet bis 20 Uhr. Anwesend war niemand, auch kein Hinweisschild „Komme gleich wieder“ oder so. In der Halle sah es aus, als ob gerade ein Fest stattgefunden hätte und man beim Aufräumen wäre. Und noch nicht so genau entschieden hätte, was wohin verräumt werden soll. Uschi musste mal. Ich wollte ja eigentlich endlich duschen, nahm aber sofort davon Abstand, als ich die „Sanitäranlagen“ sah. Unbeheizt, sehr spartanisch, nicht besonders sauber. Nein, danke! Es war immer noch niemand aufgetaucht. Eigentlich sollte man weiterfahren, aber wir waren schon lange genug unterwegs gewesen und wollten Feierabend machen. Wir beschlossen, einfach auf den Platz zu fahren und uns eine Parzelle auszusuchen. Das Gelände war größer als vermutet, der Weg schlängelte sich zwischen Bäumen und Gesträuch durch bis auf eine Wiese, auf der schon ein holländisches Wohnmobil und ein holländischer Wohnwagen standen. ACSI-Platz halt!
Der Mann aus dem Wohnmobil stieg gleich aus, als wir anhielten und erklärte uns, warum er mitten auf dem geschotterten Durchfahrtsweg stand. Sie hätten sich am Morgen auf einem anderen Platz im Sand festgefahren. Wir bekamen auch die Info, dass der Campingplatzbetreiber noch einen anderen Platz habe und dort sei. Man könne ihn aber anrufen. Sein Freund, der in dem Wohnwagen lebe und ihn vertrete, sei auch gerade nicht da, weil er seine Frau ins Krankenhaus hätte bringen müssen. Wir könnten aber einfach dort stehenbleiben, eine Stromsäule gäbe es auch. Der Holländer sprach ein wenig schleppend, was ich darauf zurückführte, dass deutsch für ihn ja eine Fremdsprache ist.
Keine Viertelstunde später kam seine Frau aufgeregt zu uns, sie habe mit dem Campingplatzbesitzer telefoniert, er solle ihr einen Krankenwagen schicken, ihr Mann müsse ins Krankenhaus! Vor lauter Aufregung fielen ihr keine deutschen Wörter mehr ein, dafür aber englische! Es stellte sich heraus, dass ihr Mann schon beim Aufwachen am Morgen Beschwerden gehabt hatte, die auf einen leichten Schlaganfall hinwiesen. Sie hätten eine fürchterlich stressige Woche hinter sich und wären froh gewesen, für ein paar Tage wegfahren zu können. Das Festfahren war dann evtl. schon eine Folge seiner Unpässlichkeit, hatte den Stress aber sicher noch erhöht. Und jetzt könne er plötzlich nicht mehr sprechen! Der Krankenwagen kam schnell, eine Ärztin, zwei Sanitäter, ein Fahrer, keiner sprach englisch!!! Der Fahrer war Spanier und da unser Spanisch besser ist als mein Französisch, dolmetschten wir letztendlich in fünf Sprachen, denn inzwischen war auch der holländische Freund des Campingplatzbesitzers wieder da. Die Holländerin übergab ihm die Wohnmobilschlüssel und fuhr mit ihrem Mann im Krankenwagen mit. Wir hatten noch nicht zu Abend gegessen, aßen später aus Hunger, aber ohne Appetit. Man macht sich dann ja so seine Gedanken, was wäre, wenn… Wenn man z. B. einen Hund dabei hätte. Oder wie die Frau vom Krankenhaus, das 30km entfernt war, wieder auf den Campingplatz zurückkommen würde. In völlig fremder Umgebung, nachts. Wenn man selbst betroffen wäre. In einem Land, dessen Sprache man nicht oder nur unzulänglich beherrscht. Und in dem niemand englisch spricht! Aber englisch ist doch Medizinersprache – oder nur lateinisch? Ich blieb lange auf und ließ das Verdunkelungsrollo unten. Aber nebenan tat sich nichts mehr und am nächsten Morgen war klar, dass niemand nach Hause gekommen war. Obwohl wir die Leute ja gar nicht kannten, überlegten wir, noch eine weitere Nacht zu bleiben. Es gab ja noch den See? Nein, der sei nicht mehr da, erfuhren wir. Es sei ein Stausee und der sei abgelassen worden! Und der Holländer wusste auch, dass der Nachbar abends wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden war, sie sich ein Zimmer in einem Hotel genommen hätten, weil er noch am nächsten Morgen zur Nachuntersuchung müsste. Und danach kämen sie zurück. Das beruhigte uns, wir klebten einen Zettel mit Genesungswünschen an die Wohnmobiltür, ich fotografierte den nicht vorhandenen See und wir fuhren – ungeduscht – weiter.
MARCENEY; Campingplatz „Les Grebes du Lac de Marceney“ mit 140 Parzellen auf Gras, teilweise schattig; kleiner Einkaufsladen, Kinderspielplatz, Schwimmbad; Geschäfte in 4km Entfernung; Gratis-WLAN an der Rezeption; mittlere Preiskategorie, ACSI-Vergünstigung (€15) vom 24. Aug. bis 30. Sept. und vom 1. Mai bis 7. Juli; Mietunterkünfte
written by Ingrid
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